LINNI LIND



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KURZGESCHICHTEN

Die Nacht wie der lichthelle Tag. Meine Augen sind wie verklebt. Unter den Lidern drehen sich die Pupillen, herum oder nach oben. Ich glaube, ich schiele. Dann sehe ich Murmeln, kleine lichthelle Kugeln, die wie Murmeln aussehen. Sie kullern über mich her als läge ich unter einem Silvestertuch, aber sie bringen ein wenig Licht in die Nacht. Ich kann sehen, dass sie aus Glas sind. Genau genommen sind es kleine Figuren, denn im Glas sehe ich ganz kleine Augen. In manchen erkenne ich meine Bekannten wieder, wenige nur. Auch Hunde sind da. Sie strecken ihre Vorderpfoten oben heraus, sehen auch aus wie Menschen, kleiner, fast lustig. Ich schaue mich um, rolle mit den Hunden und Menschen durch riesige Räume. Von überall her hallen Stimmen zurück, Hundegebell. Ich meine, ich war schon mal hier und habe solche Räume schon einmal gesehen.

Das sind Museumsräume!, ja, jetzt erinnere ich mich: die breiten Treppen, die vielen Gänge, das Licht, die Mauern und dann diese Kellergeschosse! Die Luft, wie ich hinuntersteige, zieht durch den Magen. Unten steh ich allein da! Die Murmeln sind plötzlich verschwunden. Ich sehe Niemanden mehr, nirgends, alles ist leer, alles dunkel. Ich muss meine Bekannten wieder finden, muss irgendwo fragen. Bemerke meine Augäpfel wieder, wie sie sich drehen, wie ich schiele, die Pupillen immer nach oben. Kein Lichtschalter ist da, nirgendwo sehe ich Licht, so könnte ich die Bekannten auch dann nicht sehen, wenn sie tatsächlich da irgendwo wären. Ich taste mich an den Wänden entlang, die Handflächen flach an die feuchtkalten Mauern. Steige Treppen hoch, scheinbar geht’s zum Eingang zurück. So unlogisch alles. Fühle mich unwohl. Irgendwann steht ein Wächter vor mir. Ich bin der Pförtner, sagt er. Ein Pförtner kann sich einen Überblick über das gesamte Gebäude samt seiner Ein- und Ausgänge verschaffen ..., dieser Satz fällt mir ein. Muss ihn wohl einmal gelesen haben. Finde den Eingang nicht mehr, sagt innerlich meine Stimme, woher ich gekommen bin. Muss doch dahin zurück, woher ich gekommen bin, sage ich selbst. Der Pförtner antwortet nicht, scheint, wie ich gleich zu Beginn vermutet hatte, unwillig. Oder stumm. Ich versuche verzweifelt das Handy: mein Mann! Die Nummer, mir fällt die Nummer nicht ein, ich müsste jemanden fragen, aber nirgendwo ist Wer, obgleich es doch hier etwas heller geworden ist. Mein Körper, besonders vorne die Brust und der Unterkörper fühlen sich nass an. Endlich sehe ich Jemanden, der liegt auf einer Pritsche in der Pförtnerloge, ist ganz grau im Gesicht. Vermutlich krank, denke ich. In die Pförtnerloge, soll ich? Noch zögernd, sicherlich sind hier vermutliche Überwachungskameras, beschließe ich doch hineinzugehen. Ich schaue mir sein schon wie totes Gesicht an und ob ich ihn ansprechen soll?, aber da scheint er oder ich wach zu werden, ja ich bin wach! Ich weiß den Traum noch wie eben erlebt. Das ist selten, denke ich. Am noch frühen Tag ist das doch selten?